Nico Kiese
Perfekte Gegenwart
25. Mai - 14. Juni 2012

 

Niko Kiese (* 1983 in Dachau) zeigt anlässlich seiner ersten Ausstellung in der firstlines gallery sieben Arbeiten, die verschiedene Aspekte seines künstlerischen Schaffens beleuchten. Zu sehen sind modifizierte Objekte, Bronzegüsse, Fotografien und eine Rauminstallation. Im vorderen Schauraum der Galerie, der zur Straße ausgerichtet ist präsentiert Kiese die Rauminstallation "Das Brot ist die Nahrung des Körpers, die Narzisse ist die Nahrung der Seele; und wer zwei Brotleibe hat, soll einen davon für den Preis der Narzisse festlegen". Bereits vor dem Betreten der Galerie löst die ausgreifende Erscheinung der Installation beim Blick durch das Fenster Irritationen aus: ca. 200 einfache Münchner Gehwehplatten sind so in den Raum gesetzt, dass sie in ihrer Ausbreitung ein geschlossenes Feld bilden, das den gesamten Raum einnimmt und vom Besucher betreten werden kann. Auf diesen Steinen sind 30 bronzene Narzisse platziert. Am Rande des Feldes erhebt sich ein sockelartiges Podest, das eine Steinplatte trägt. Der vordergründige "Pathos" der Arbeit - erzeugt durch ihre schieren Ausmaße und die Symbolik der Formensprache - wirkt so unmittelbar auf den Betrachter ein, dass sich die vielfältigen inhaltlichen Verknüpfungen erst langsam durch die Annäherung über die Beschaffenheit und Herkunft der verwendeten Materialien erschließen. Warum wählt der Künstler einen gänzlich unüblichen, spröden und "billigen" Werkstoff, einen Gehwegstein, löst diesen aus seiner bekannten, "alltäglichen" Funktion im Außenraum heraus und inszeniert ihn als auratisch aufgeladenen Kunstgegenstand im Kontext einer Ausstellung? Eine Anlehnung an die Tradition des "Ready Made" drängt sich förmlich auf. Doch im weiteren Schritt bringt Kiese dieses maschinell gegossene und in Serie hergestellte Massenprodukt in physischen Kontakt mit dem "klassischen" Material plastischer Darstellung, der Bronze. Offenbaren bereits die Oberflächen beider Werkstoffe deutlich die Unterschiede des groben Steins einerseits und der plastisch modellierten Bronzenarzisse andererseits, so verbindet beide tatsächlich die Herkunft ihrer Bestandteile: Pflasterstein wie Bronze sind im Grunde Verbindungen natürlicher Elemente. Durch die Wahl dieser beiden Werkstoffe, deren ästhetische Qualitäten kaum unterschiedlicher sein könnten, und die sich dennoch unmittelbar aufeinander beziehen, thematisiert/reflektiert der Künstler eindrücklich das Verhältnis von materiellem, ästhetischem und künstlerischem Wert. Die Narzisse, in zahlreichen Kulturen Trägerin vielfältiger und teils ambivalenter Bedeutungen, steht hier für die Kurzlebigkeit von Schönheit und Inspiration, die blind machen kann und gleichzeitig "Erkenntnis" verspricht. Die Münchner Gehwegplatten hingegen symbolisieren einen Nährboden in den es gilt diese stilisierten Narzissen zu verpflanzen.