Christian Leitna

 

 

Auszeichnungen und Preise


2009

  • "Grüner Wanninger" Bayern

 

2008

  • 7.Platz Römerturm-Canson Druckgrafik Wettbewerb, Deutschland

 

2007

  • Lfa Förderpreis für junge Kunst, Bayern

 

2006

  • 1. Platz Kunst am Bau, Stadtbibliothek, Freising

 

2005

  • Erasmus Stipendium, England

 

2002

  • "Tassilo-Preis" Süddeutsche Zeitung, München

 


Dass die Druckgrafik in Christian Leitnas künstlerischer Arbeit einen vorrangigen Platz einnimmt, ist kein Zufall. Die Ausbildung als Werbetechniker und Schriftenmaler gab ihm die Beherrschung der technischen Mittel an die Hand; und während seines anschließenden Kunststudiums konnte Christian Leitna seine Lust am Experiment mit den künstlerischen Möglichkeiten der Druckgrafik weiter entfalten. Der Siebdruck rückte damals schon in den Vordergrund, wo er bis heute verblieben ist, da er für Christian Leitna das ideale Medium ist, um sein Bildthema überzeugend zu visualisieren.

 

Dieses kreist in erster Linie um die Frage nach den Bedingungen individueller Existenz in einer modernen Massengesellschaft. Christian Leitna spürt in seinen Arbeiten den Entfremdungsprozessen nach, die zu einer immer stärker greifenden Verflachung, Leere und Orientierungslosigkeit führen.

 

Diese Aspekte von gelebter Realität  finden für Christian Leitna in idealster Weise in der Ästhetik und den technischen Voraussetzungen der Druckgrafik – seiner Flächigkeit, seines Ermangelns an Expressivität und seiner Verwendung als Massenreproduktionsmittel – Ausdruck. 

 

Eine Mischform von Installation und „Druckgrafik“ könnte man Christian Leitnas  markierungsarbeit bezeichnen.

 

Im ein-monatigem Ausstellungszeitraum in der Galerie Hobbyshop fuhr Leitna täglich „abgesteckte“ Routen im Stadtbereich Münchens mit dem Fahrrad ab. Ausgestattet mit einem Trinkrucksack , der mit schwarzer Farbe gefüllt war und einer Vorrichtung am Fahrrad, welche die Farbe auf den Hinterreifen überträgt, hinterließ er einen Abdruck der gefahrene Strecke auf dem Asphalt. Diese routen wurden auf Pauspapier im Maßstab eines Stadtplans festgehalten. Als abstraktes, unzusammenhängendes Geflecht von Linien zeigt sich die Arbeit dem Betrachter. Als solche ist sie als visuelle Metapher für die Komplexität von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systemen zu verstehen, die einen derart hohen Grad erreicht haben, dass sie kaum noch nachvollziehbar und damit auch nicht mehr gänzlich kontrollierbar sind.

 

Hieraus entstand letztendlich black Star, ein reduzierter Stadtplan, der gänzlich von Straßennamen und Platzangaben gereinigt wurde.

 

So wie Christian Leitna in markierungsarbeit das Problem der Verstrickung und Undurchsichtigkeit reflektiert, greift er in seinem Werk geranien das Thema ‚Wahrnehmung‘ auf:

 

Auf den ersten Blick hatte der Betrachter den Eindruck, eine Reihe von Geranientöpfen auf dem Balkon der Siebdruckwerkstatt der Akademie der Bildenden Künste zu sehen. Doch der Eindruck täuschte, da es sich lediglich um Projektionen auf der Glasscheibe handelte. Christian Leitnas Intention war es, aufzuzeigen wie einfach es ist, die Wahrnehmung von der Welt zum Kippen zu bringen.

 

Man denkt dabei gerne an Platons Höhlengleichnis, der damit veranschaulichte, dass vieles anders ist, als es uns erscheint. Mit der Hinterfragung unserer Wahrnehmung spielt Christian Leitna darauf an, dass der Mensch Manipulationsstrategien „ins Messer läuft“, die durch die mediale Welt Verbreitung finden.

 

Wahrnehmung ist oftmals fehlerhaft und wird nur allzu gern subjektiv interpretiert.

 

Das grundliegende Problem ist, dass wir den Wahrheitsgehalt unserer Wahrnehmung nicht überprüfen können. Damit bezieht sich Leitna nicht nur auf ein philosophisches Problem, sondern sieht seine Arbeit als ein Verweis auf politische und wirtschaftsorientierte, gesellschaftliche Systeme, die gerne auf Lüge, Täuschung und Manipulation bauen. Die Wahrnehmung zu hinterfragen ist richtungsweisend für die Daseinsanalyse.

 

Genau das ist es aber, was dem Individuum immer schwerer fällt und diesen Umstand greift Christain Leitna in der Reihe me, myself and I  bildnerisch auf. Die Siebdrucke, die jeweils ein Selbstporträt des Künstlers darstellen, wurden im Lösungsmittel bearbeitet, so dass sie sich nach und nach zersetzten und auflösten. me, myself and I ist ein Beispiel dafür, dass Christian Leitna immer daran interessiert ist, die experimentellen Möglichkeiten des Siebdrucks auszuloten und sich diese gleichzeitig zu Nutze zu machen, seinem inhaltlichen Schwerpunkt Ausdruck zu verleihen, der immer wieder auf den Gegensatz "Individuum / Massengesellschaft" abzielt.

 

Das Individuum wird im Titel noch heraufbeschworen, ist aber doch dazu verdammt, langsam zu verblassen. Der Auflösungsprozess in Christian Leitnas Arbeiten ist gleichbedeutend mit einem Auflösungsprozess des Individuum, das in seiner Selbstbestimmung und Verwirklichung zunehmend blockiert wird; als Resultat von Fehlentwicklungen und Störungen in der Gesellschaft.

 

"Fehlentwicklungen" könnte man wohl auch den Verlust von Wertmaßstäben der modernen Gesellschaft bezeichnen, was vor allem das Thema der Arbeiten qualitätskontrolle und me, myself and the others ist.

 

Aus einer Reihe von eigenen Schnappschüssen wählte Christian Leitna gezielt Fotos aus, um sie mit gefundenen Bildern aus den Medien zu einer "Collage" zusammenzuführen. Der Siebdruck und Nitrotransferdruck diente ihm hier natürlich als perfektes Medium, um fotografische Vorlagen in ein grafisches Bild zu übersetzen.

 

Das Nebeneinander von unterschiedlichem Bildmaterial ist für Christian Leitna im Grunde eine intuitive Bestandsaufnahme von der Welt, wie wir sie erleben: Treffen mit Freunden, Erinnerungen an den Urlaub vom letzten Jahr, Terroranschläge, die durch den Flachbildschirm ins Wohnzimmer eindringen. Das gewollt undifferenzierte Nebeneinander solcher Bilder hebt das Problem hervor, dass in einer modernen Welt die Demarkationslinie zwischen Realität und Fiktion weniger deutlich gezogen ist.

 

Parallel führt die Informations- und Bilderflut, welcher der Mensch tagtäglich ausgesetzt ist, zu einem nicht leugnenden Abstumpfungsprozess, der eine Verwischung von Urteilsfähigkeit und Wertvorstellungen nach sich zieht.

 

Einige Werke von me, myself and the others werden von Christian Leitna in Leuchtkästen präsentiert.  Er zeigt damit die Bilder in einer Form dem Betrachter, wie man Röntgenaufnahmen an einer Leuchtwand betrachten könnte, die objektiv und ohne Wertung  die Welt und ihren Zustand durchleuchten.

 

 

Herauszuheben sind die Nitrotransferdrucke me, myself and the others, für die Christian Leitna Fotos abpauste und sie überlagerte. Nur Fragmente bleiben sichtbar, die sich in Abstraktionen auflösen und so die Überlappungen und Gleichzeitigkeiten von Wahrnehmung zum Ausdruck bringen. Der Künstler benutzte eine klare Auswahl an Bildmaterial. Doch die anfängliche Auswahl ging während des Arbeitsprozesses ins Spontane über, um dem Material eine Eigendynamik zuzugestehen, die ein Endergebnis hervorbringen, das vom Künstler unvorhergesehen war. Der Zufall ist damit ein gewollter und wesentlicher Faktor, da für Christian Leitna das Experiment - und das damit verbundene Risiko - unbedingter Teil der künstlerischen Denke und Produktion ist.

 

Auch die Arbeiten der Serie the others sind gleichsam Produkt einer Arbeitsweise, die neben dem klaren konzeptuellen Ansatz den Zufall miteinbeziehen. Für the others durchstöberte der Künstler Flohmärkte, auf der Suche nach Fotografien. Die Auswahl war beliebig. Christian Leitna war die Distanz zum Bildmaterial wichtig.

 

Kurz: Er sammelte Fotografien von Fremden und deren im Bild festgehaltenen Erinnerungen. Von den Fotos ist fast nichts mehr zu erkennen, da sie mit Lösungsmittel bearbeitet wurden, so dass größtenteils ein weißer, leerer Fleck übrig blieb. Das Bild und die Erinnerungen, mit denen es verbunden war, sind unwiederbringlich verloren.

 

Mit den Erinnerungen geht auch die Zeit einher, da Erinnerungen außerhalb der Zeit nicht existieren können. Das Auslöschen von Zeit und Erinnerung  kann als Verschwinden der  "alten Welt" und der mit ihr verbundenen Werte und Vorstellungen verstanden werden. Was zurückbleibt ist ein Gefühl von Verlorenheit und Leere und der Zustand der allg. Entropie - ein Zustand über den Max Planck mal sagte "Entropie ist etwas, was man nicht versteht, aber man gewöhnt sich daran"...hoffentlich nicht!

 

 

Marion von Schabrowsky